November 2025: Der Seewolf von Leuca

Veröffentlicht am 31. Oktober 2025 um 00:02

Ein Kap am Übergang vom adriatischen ins ionische Meer, ein riesiger Leuchtturm auf einem 100 Meter hohen Felsen, von dessen Laterne man hinüber schauen können kann auf die Berge Albaniens und auf den man vom Hafen über eine monumentale Treppe emporsteigen kann. Wir verdanken sie der auch architektonischen Großmannssucht Benito Mussolinis. Eigentlich sind es zwei Treppen, die diese Cascade monumentale seitlich begrenzen, einen künstlichen Wasserfall am Ende des größten Aquäduktes Europas, des so genannten Aquedotto pulgliese. Gleichzeitig bildet dieser Ort das Ende der Via Francigena, obgleich alte Pilgerwege wenig bezeugt sind. Und dann noch eine Basilika, ebenfalls auf alt gemacht am Ende des 20. Jahrhunderts, Papst Benedict XVI. gewidmet. Dies alles ist in Santa Maria di Leuca an der Hackenspitze, dem Absatz vom Stiefel, dem einstigen Einschiffungshafen der Jerusalem-Pilger – sagte man mir. Ob Heinrich der Löwe auch hier mit dem Tier ankam, ist nicht klar. Aber einen Seewolf gab es an dieser Stelle schon immer. Von ihm möchte ich euch heute erzählen. Sehr aggressiv. Lupo di Mare.

Der Seewolf ist zunächst einmal ein Meeresfisch, ein ziemliches Monster, das gut und gerne über einen Meter lang wird und ekelhafte Zähne hat. Sein lateinischer Name bedeutet etwa so viel wie „Zertrümmerer“, was schon anklingen lässt, welch Räuber er ist. Er verfügt über sehr starke Kiefer. Zu den Lieblingsspeisen dieses Aalmutterverwandten zählen hartschalige Mollusken, Krabben, Hummer, Seeigel und andere Stachelhäuter. Seewölfe leben allein auf dem Meeresgrund in felsigen Habitaten, die Fischer – sagt man – gehen vorsichtig mit ihnen um, da sie noch lange nach dem Fang wild um sich beißen können. Die extrem lange Rückenflosse des Seewolfs beginnt direkt auf dem auffallend massigen Kopf. Es gibt Exemplare, die gut und gerne einen Meter fünfzig lang sind und 25 Kilo wiegen. Der Seewolf gilt als wertvoller Speisefisch. Er sieht allerdings extrem hässlich aus. Deswegen kommt er meist nur als Filet auf den Markt und den Tisch. In der Küchensprache wird er im deutschen Sprachraum manchmal auch als Lupo di mare bzw. Loup de mer bezeichnet.

Schließlich und endlich ist Seewolf auch ein beliebter Name für Fischrestaurants all over the world, zum Beispiel an der Untertrave in Lübeck … oder in Santa Maria di Leuca, womit wir beim eigentlichen Thema sind. In letztgenanntem Strandrestaurant hatten alle Bediensteten Einheitskleidung, T-Shirts mit der Aufschrift des Restaurantnamen. Dottore meinte sofort: So eines müssen wir unserem Skipper beschaffen, der doch auch Lupo genannt wird. Er fragte nach dem Preis – und bekam es geschenkt. Seither trage ich es mit Stolz und Angst, also weil ich ja mit dem „Seewolf“ von Jack London verwechselt werden könnte. Seefahrt ist immer heikel.